6. Generation Beziehungsunfähig

(Disclaimer: Die folgende Geschichte kann frei erfunden sein und ist in keinerlei Verbindung mit meiner Person zu bringen. Bitte beachtet vor dem Lesen den Reiter „Disclaimer“).

 

Ein Merkmal unserer wunderbaren „Generation Beziehungsunfähig“ ist, dass Du nie weißt, zu wie vielen anderen „Anwärtern“ Du gerade in Konkurrenz stehst. Warum solltest Du auch einen Menschen tiefgründig kennenlernen, wenn Du auch 10 gleichzeitig oberflächlich „daten“ kannst? Warum überhaupt auf einen Menschen so richtig einlassen, wenn Du doch nie weißt, ob hinter der nächsten Ecke nicht jemand „noch Besseres“ auf Dich warten könnte? Noch schöner. Noch weißere Zähne. Ein dickeres Bankkonto oder dünnere Beine? In diesem Jahrhundert scheint es Nichts oder Niemanden zugeben, der nicht austauschbar ist. Höher. Schneller. Weiter. Die ständige Angst, etwas zu verpassen. Haben wir wirklich verlernt, mit dem glücklich zu sein, was wir haben? Den Wert der Dinge und Menschen schätzen zu können, die in unserem Leben sind und nicht nur danach zu gieren, was wir nicht haben? 

 

Passend dazu lernte ich einen Mann kennen – gutaussehend, gebildet, grenzwertig.

Er machte sich von unserem ersten Treffen an Gedanken, überlegte sich immer neue Sachen, meldete sich regelmäßig, nicht zu oft, nicht zu selten und er schien sich sogar die Dinge, über die wir redeten, zu merken. Wie wir miteinander sprachen und worüber gab mir tatsächlich das Gefühl, dass er womöglich wirklich etwas „Ernstes“ wollte. Wir trafen uns schon ein paar Monate und eines Abends lief ich nach einem Abend mit Freunden in meinem Viertel zu mir nach Hause. Es war ein lauer Sommerabend. Am Himmel das gedämpfte Goodbye der Sonne, in meinen Ohren der sanfte Klang meiner Lieblingsplaylist. Erst konnte ich es nicht richtig erkennen. Doch schon kurz darauf gab es keinen Zweifel mehr – mir kam ein händchenhaltendes Pärchen entgegen, eng umschlungen und eifrig lachend, liefen sie auf mich zu und ohne die Gesichter zu erkennen, wusste ich es. 

 

Kennst Du diesen Moment, wenn Dich ein dumpfes Gefühl überkommt, dass Du „es“ weißt, ohne es bereits zu wissen? Gibt es bereits Studien darüber, welche Synapsen da aktiv sind, dass einem diese schier übermenschlichen Kräfte zuteil werden? Studienlage hin oder her. In diesem Moment schien mein Gefühl unfehlbar zu sein.

 

Genau so war es auch. Das Pärchen kam näher. Sie wirkten frisch verliebt. Die Frau hatte nur Augen für ihn. Und er? Er sah mir kurz tief in die Augen. Unsere Blicke trafen sich nur für den Bruchteil eines Augenblickes. Kein Wort gesprochen. Und doch war alles gesagt. So schritten sie von dannen. 

Er war es. Keine Frage. Nur ein dickes Ausrufezeichen. 

 

Noch in der selben Nacht schrieb er mir, ob er etwa heute Abend an mir vorbei gelaufen sei und ob unser Treffen in 2 Tagen weiterhin steht. (ehhm nein). Ich meinte, dass ich ihm und seiner Freundin die Peinlichkeit ersparen wollte und er entgegnetete nur „Ach, war nur ein Tinder Date…“.

Na klar, wer läuft nicht casual mit seinem First-Tinder-Date händchenhaltend durch die Stadt, anschließend schonmal die Zweitschlüssel für die Wohnung da lassen. Klassiker. Sicherlich hatten wir nie vertraglich festgelegt, dass wir uns in einer monogamen Datingphase befanden. 

Doch ich fragte mich, ist dieses Vorgehen nun das „normale Kennenlernen im 21. Jahrhundert“? Alle Optionen offen halten, um uns nie festlegen zu müssen? Keine Verantwortung. Keine Verpflichtung. Keine Schuld? 

Kurz darauf erfuhr ich, dass er vor mir, eine Bekannte von mir traf, mit der er 1:1 dieselben Dates in der selben Reihenfolge durchführte. 1:1. Copy. Paste. Repeat. Ich meine, wenn ich mir ein Paar neue Schuhe kaufe, trage ich sie mitunter auch so gerne, dass ich sie gar nicht mehr ausziehen mag. Aber würden sie deshalb jemand anderem genauso gut passen? Wohl kaum. 

 

In der darauffolgenden Zeit kreuzten sich unsere Wege immer wieder – genauso wie unsere Blicke. Und jedes Mal war eine andere Frau an seiner Seite. Es war fast gruselig, dass wir uns immer wieder ungeplant trafen, andererseits zeigte es mir nur, dass ich keinen Menschen in meinem Leben haben wollte, der Frauen wie Unterhosen wechselte. 

 

Ich will gar nicht behaupten, dass eine mehrgleisige Kennlernphase in Diskrepanz mit dem Entstehen einer tiefgründigen Beziehung stehen muss. Im Gegenteil gibt es Theorien, die dies gerade befürworten.

Aber was ist mit ehrlicher Kommunikation und dem eigenen Wunsch geworden, sich auf eine Person einzulassen? 

 

xoxo elli 

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